Muss ich immer glücklich sein?
Ich habe jetzt ein paar Tage lang überlegt, ob ich diesen Beitrag schreiben soll oder nicht. Gebe ich einen persönlichen Teil von mir preis oder behalte ich ihn doch lieber für mich. Schwäche zeigen, ist nicht meine Stärke. Immer versuche ich, mich so positiv wie möglich zu zeigen. Jeder, der mich persönlich kennt, weiß, dass ich viel lache und allen Leuten freundlich entgegen trete. Und eigentlich verstehe ich meine jetzige Situation noch immer nicht so wirklich.
Es liegt mir fern, Mitleid oder ähnliches zu erhaschen. Das ist auch so gar nicht das, was ich möchte.
Was ist passiert?
Vor genau zwei Wochen fing alles mit extremen Kopfschmerzen an, auf einem Auge habe ich nur noch verschwommen gesehen. Freitags kam es dann für mich zum Supergau. Ich habe viermal das Bewusstsein verloren, ohne, dass ich vorher irgendein Schwindel bemerkt hätte. Aufgewacht bin ich, weil mir mein Kind (fast 2,5 Jahre) auf die Nase gepatscht hat. Die Kopfschmerzen waren zu dem Zeitpunkt unerträglich. Mein Mann noch auf Dienstreise, aber auf dem Heimweg, habe ich lediglich mein Kind versorgt. Alles andere blieb liegen, ich zum Schluss auch.
Sobald mein Gatte zu Hause war, hat er mich direkt in die Notfallambulanz gefahren. Dort wurden die üblichen Untersuchungen durchgeführt. Blutdruckmessung, EKG, Blutabnahme und auch mein Auge wurde untersucht. Eine Lumbalpunktion musste abgebrochen werden, weil mir der Kreislauf abgesackt ist.
Der Blutdruck war übrigens seeeehr niedrig. 88/44! Dass er so niedrig sein kann und ich noch fähig zu laufen, habe ich mir nicht vorstellen können.
Das Ende vom Lied war, dass ich stationär auf der Neurologie aufgenommen wurde. Und da war es mittlerweile kurz nach Mitternacht. Und ich nach 5 1/2 Stunden leicht durchgefroren. Nachdem ich Novalgin-Tropfen bekommen habe, konnte ich seit einer Ewigkeit wieder richtig gut schlafen.
Am nächsten Tag hat mich der Oberarzt unter die Lupe genommen und einige Untersuchungen angeordnet. Mein Blutdruck war dann übrigens mittlerweile sehr erhöht. DAS ist so untypisch für mich. Bitte nicht das auch noch. Am Wochenende werden bekannterweise keine Untersuchungen und Behandlungen vorgenommen. Die Zeit habe ich tatsächlich zum Ausruhen genutzt. Meine beiden Männer haben mich zweimal am Tag - zumindest am Wochenende - besucht. Flippchen schien das so gar nicht zu stören. Er hat einfach zu jedem "Mama taputt" gesagt. Hach, ich liebe dieses Kind!
Was konnte ausgeschlossen werden?
Nachdem MRT, CT, TTE (Herzultraschall), Augenultraschall, eine erneute Lumbalfunktion (dieses mal hat es geklappt), EEG, Langzeit-Blutdruck und Langzeit-EKG durchgeführt wurden, konnte zumindest alles neurologische ausgeschlossen werden. Kardiologisch kam eine leichte Herzrhythmusstörung zum Vorschein, die aber letztendlich den selben Auslöser hat.
Was wurde diagnostiziert?
Die Ärzte konnten den Kopfschmerz als stressbedingten Spannungskopfschmerz identifizieren. Erst wurde eine Migräne vermutet, dann aber ausgeschlossen. Ich wurde zudem zu meinem Schlafverhalten und meinem Alltag befragt. Jetzt bekam die ganze Sache eine Form. Am Donnerstag wurde ich entlassen. Das abschließende Arztgespräch war für mich sehr ernüchternd. Vielleicht habe ich es schon länger unbewusst wahrgenommen. Ich bin chronisch gestresst, von meinen Aufgaben als Mutter und Hausfrau körperlich wie seelisch überfordert. ICH? Echt jetzt? Jaaaa, verdammt! Ich habe wieder Übergewicht, bin nicht im geringsten fit genug, mit meinem Springfloh mitzuhalten. Und ich habe absolut keine Zeit, mich um mich zu kümmern. Ich habe meinen Haushalt, ein Kleinkind und einen Mann, die meine Nerven und Zeit komplett in Anspruch nehmen. Und dann tat sich mir eine Frage auf. "Wie schaffen das andere Mütter? Die auch noch komplett alleinerziehend sind." Schlechtes Gewissen machte sich breit, Selbstzweifel und Versagensängste.
Eine liebe Freundin, mit der ich darüber geredet habe, hat mir etwas gesagt, was ich wirklich heute erst verstanden habe. Sie sagte:" Es geht hier aber nicht um andere Mütter. Es geht um dich." PS. Ich weiß, dass du das liest. Danke!
Wie geht es jetzt weiter?
Es gibt einige Baustellen zu bedienen. Einige Hilfe und Tipps habe ich über das Familienzentrum bekommen. Flippchen wird jetzt endlich in der Kita angemeldet und bis dahin haben wir mit viel Glück eine Tagesmutter, um die Zeit bis zur Kita zu überbrücken. Ein Krippenplatz steht uns nämlich nicht zu, wie wir jetzt auch wissen. Und auch im Elementarbereich haben wir lediglich Anspruch auf einen Halbtagsplatz. Ich bin nicht berufstätig. Das klingt auch noch logisch.
Mir wurde Rehasport und Ausdauertraining verordnet, um Gewicht zu verlieren. Dafür habe ich ein tolles Fitness- und Gesundheitsstudio direkt vor der Nase. Ich möchte auch Atemtechniken erlernen, die mir das Einschlafen erleichtern. Wenn man nicht ausgeschlafen ist, kommt man auch nicht gut durch den Tag.
Und zu guter Letzt werde ich eine Therapie bei einem Psychologen machen. Diese wird ambulant durchgeführt und soll mir beibringen, besser mit Stress umzugehen.
Was möchte ich euch vermitteln?
Ich habe bisher immer gedacht, dass ich ein fröhlicher Mensch bin, der positiv durchs Leben geht. So etwas wie chronischer Stress, Burnout und Überforderung kann mich nicht betreffen. Da habe ich mir echt viel schön geredet. Ich habe mir eingeredet, dass ich als Mutter überglücklich sein muss. Zu jeder Stunde, Minute, Sekunde. Ich liebe mein Kind abgöttisch, er bereitet mir jeden Tag viel Freude, Stolz und Glück. Ein Leben ohne mein Flippchen kann ich mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen. Und doch hätte ich längst auf meinen Körper hören müssen.
Wenn ihr das Gefühl habt, ständig unter Strom zu stehen, auf Hochtouren zu laufen und trotzdem immer müde, erschöpft seid und einfach schlecht in den Schlaf findet, dann hört auf euren Körper. Ich bin abends teilweise so kaputt, dass ich auf der Stelle umfallen und einschlafen müsste. Und doch schlafe ich ewig nicht ein, weil mir alles mögliche im Kopf rumschwirrt. To-Do-Listen, Termine, was soll ich kochen usw. Sehr oft wache ich in der Nacht auf (meistens, weil ich auf Toilette muss) und liege dann unruhig im Bett. Mit Glück finde ich noch etwas Schlaf. Das ist dann eher die Ausnahme. Wenn mein Kind (und mein Mann, wenn er denn mal nicht auf Dienstreise ist) aufsteht, dann bin ich totmüde und komme erst nach zwei Tassen Kaffee in die Gänge. Das halte ich durch bis Nachmittag und dann kommt das Formtief. Aber Schlafen kann ich nicht, selbst wenn Flippchen Mittagsschlaf macht. Da erledige ich dann im Haushalt alles, was ich sonst nicht erledigen kann.
Kommt euch das ein oder andere oder gar alles bekannt vor? Dann holt euch bitte Hilfe! Lasst es nicht soweit kommen, dass euer Körper in den Streik tritt, wie bei mir. Das kann gefährlich werden. Ich hatte einfach nur Glück. Stress, Depressionen, Burnout usw. ist nichts, für was man sich heutzutage noch schämen muss.
Wir sollten alle viel besser auf unseren Körper aufpassen. Wir haben doch nur dieses eine Leben, ihr Lieben.
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Janina (Sonntag, 03 November 2019 12:51)
Ein toller Beitrag liebe Doreen! Ich denke, Du sprichst vielen aus der Seele! Ich selber habe auch erst durch eine Mutter-Kind-Kur gelernt, dass ich mur jeden Tag (und seien es nur 10 Minuten) und mindestens einmal am Wochenende 30 Minuten Zeit für mich nehmen muss. Der Haushalt ist zweitrangig, klar sollte alles etwas sauber sein, aber es muss nicht pikobello oder gar perfekt sein...dann liegt da halt mal Staub oder die Fenster sind seid 4 Monaten nicht geputzt...ja und? Diese Zeir brauchen wie Mütter aber für uns, denn sonst haben wir keine Kraft für unsere Kids und Familie.... und das ist doch essentiell!